Tobi - Unser Hütehund
Vor vielen Jahren entschieden wir uns einen Hund auf unseren
Hof zu nehmen. Uns war klar, wir wollten einen Border Collie, einen Hütehund,
für unsere Tiere.
Zufällig hörte ich von einem alten Mann im Nachbardorf, der einen
solchen Hund besass. Er wollte ihn weggeben, da er spürte, dass dieses
junge Tier bei ihm zu wenig Bewegung hatte.
Wir fuhren in das Dorf, sahen den kleinen Hund, angebunden in einer engen
Gasse zwischen Häusern, von wo aus er nur einen kleinen Streifen des
Himmels und weiter unten einige Meter der Dorfstrasse sah. Die Frau erzählte
uns, dass ihr Sohn den Hund vor einigen Monaten nach Hause gebracht habe,
erfuhren die Geschichte des Hundes und wussten bald, dass dies ein spezieller
Hund ist, aber am falschen Platz.
Sie würden den Jungen Hund erschlagen, wenn sie keinen Platz für
ihn finden würden, denn wenn er losgelassen werde renne er auf alles
was sich bewege.
Wir schauten in die Augen des jungen Hundes und in das Gesicht der Frau und
wussten bald, wen wir nach Hause nehmen wollten.
Tobi wurde unser neuer Hofhund.
Er genoss die neue Freiheit, rannte umher, spielte in der freien
Natur, machte seine ersten Erfahrungen mit Wespen und Brennnesseln und lernte
langsam sich gegenüber Katzen, Hühnern und Kühen richtig zu
verhalten.
Am Morgen band ich ihn los und er begleitete mich beim Bewässern der
Wiesen, beim Heuen oder bei den Arbeiten mit den Tieren. In den seltenen Momenten
in welchen es nichts zu tun gab, war er der Spielgefährte der Kinder.
Wenn ich mit dem Transporter unterwegs war, sass er immer auf dem Beifahrersitz,
als wäre er der Steuermann. Geriet der Transporter im steilen Gelände
in eine Schräglage, sprang er vor das Fahrzeug, fletschte mit den Zähnen
und bellte mich an, als wollte er mich warnen. "Habe alles im Griff Tobi",
rief ich ihm dann zu, worauf er seinen Platz auf dem Nebensitz wieder einnahm.
Die Kühe mit den Kälbern von einer Weide zur anderen, oder jeden
Abend die Hühner in den Stall zu treiben, das waren seine grossen Momente.
Tobi wurde unser Arbeiter und ein Mitglied der Familie.
Im letzten Sommer, Tobi war mittlerweile 13 Jahre alt, veränderte er
sich innert weniger Tage. Eines Morgens pfiff ich ihm zu, wie immer, doch
er kam nicht vor seinen Stall. Das war ungewöhnlich. Tobi sass neben
seinem Platz und starrte mich mit leeren Augen an. Ich redete ihm zu, er erkannte
meine Stimme, versuchte mit dem Schwanz zu wedeln, konnte sich aber nicht
mehr orientieren.
Am Mittag kamen die Kinder von der Schule zurück. Tränen kullerten
über unsere Wangen auf das schwarz-weisse Fell.
Anschliessend fuhren wir zum Tierarzt und schläferten Tobi ein und legten
ihn in die Erde unter dem alten Apfelbaum.
In der Zwischenzeit haben wir wieder einen jungen Hund bei uns, auch ein Border Collie mit Namen "Jacky".
Und manchmal kommt es noch vor, dass ich ihn "Tobi" rufe. Dann schaut er mich mit seinen treuen Augen an, als wollte er mir sagen "ich kann dich verstehen".
Orlando
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